Hessisches Jagdgesetz - CDU und FDP missachten Wissenschaft und GrundgesetzHessisches Jagdgesetz -

Der von CDU und FDP eingebrachte Vorschlag zur Novellierung des Hessischen Jagdgesetzes widerspricht in eklatanter Weise sowohl dem Tierschutzgedanken als auch dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Eine Antwort des Bürgerservices der CDU Hessen vom 4.3.2011 auf einen Protest von Bürgern aus ganz Deutschland zur Ausweitung der Jagdzeit für den Dachs lässt darauf schließen, dass weder tierschutzrechtliches noch wissenschaftliches Know How zur Beurteilung der Situation in ausreichendem Maße vorhanden ist. Auch lässt das politische Handwerk insofern zu wünschen übrig, da keine Abwägung der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf Grundrechte wie einerseits des Eigentums und andererseits des Schutzes der Tiere stattfindet.
 
 
1. Fairer Interessenausgleich - CDU Hessen: "Das hessische Jagdrecht dient dem fairen Interessenausgleich und berücksichtigt Forderungen von Jägern, Waldeigentümern und Tierschützern in ausgewogenem Maß."
 
Von einem "fairen" Interessenausgleich kann nicht die Rede sein. Die Landesregierung folgt im Hinblick auf die Ausweitung der Jagdzeit des Dachses im Wesentlichen einer Forderung des Landesjagdverbandes Hessen. Weder sind die Interessen einer breiten Bevölkerungsschicht, welche die Jagd und insbesondere Jagdmethoden wie die Bau- oder die Fallenjagd ablehnt, berücksichtigt, noch die Interessen des Tierschutzes.
 
2. Jagdgesetz fördert die Tierqual - CDU Hessen: "Ihre Vorwürfe, das Jagdgesetz befördere die „Tierqual“, ist nicht nachvollziehbar" 
 
Eine Ausweitung der Jagdzeit auf den Dachs fördert die Tierqual aus folgenden Gründen:
 
a) Wenn Dachse bereits im Juli erschossen werden, zu einer Zeit in welcher noch viele Jungtiere gesäugt werden, hat das zur Folge, dass unweigerlich Jungtiere verenden. Das Gleiche gilt für viele Jungtiere, die nur wenig später ihre Eltern verlieren. Durch die Ausweitung der Jagdzeit auf die zur Aufzucht der Jungtiere erforderlichen Zeit untergräbt das Landwirtschaftsministerium § 22 Abs. 4 des Bundesjagdgesetzes und verursacht erhebliches Leid unter den Tieren.
 
b) Der Dachs wird auch mittels Bau- und Fallenjagd bejagt. Selbst der "Blase" (Die Jägerprüfung), ein Standardwerk der jagdlichen Praxis und Ausbildung, spricht davon, dass die Baujagd auf den Dachs weder natur- noch tierschutzverträglich ist. In Hessen wird nach wie vor auch auf den Dachs die Baujagd ausgeübt. Ebenso die Fallenjagd, die tierschutzrechtlich zumindest umstritten ist.
 
3. Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen - CDU Hessen: "Auf Grund steigender Dachspopulationen in Hessen und damit verbundener Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen ist eine intensivere und auch zeitlich längere Bejagung dieser Gattung für einen Interessenausgleich unerlässlich.
 
Dachse sind Allesfresser, ernähren sich aber vorwiegend vegetarisch. Deshalb ist es nicht auszuschließen, dass Dachse lokale Ernteverluste durch Fraßschäden verursachen. Es ist allerdings zu bezweifeln, dass dem Ministerium selbst für lokale Fraßschäden der Nachweis fehlt, dass diese durch Dachse verursacht wurden. Selbst wenn dem so sein sollte ist der landwirtschaftiche Gesamtschaden auf jeden Fall vernachlässigbar. Aus diesem Grunde hält auch eine Abwägung der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die im Grundgesetz verankerten Rechte auf Eigentum einerseits und dem Schutz der Tiere andererseits einer Überprüfung im Hinblick auf eine Verlängerung der Jagdzeit für Dachse nicht stand. Mit der Ausweitung der Jagdzeit auf Dachse missachtet die Landesregierung das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Lediglich lokale Ernteverluste, so diese tatsächlich auf den Dachs zurückzuführen sein sollten, sind zur Begründung eines "vernünftigen Grundes" gemäß Tierschutzgesetz nicht ausreichend.
 
Bedenklich wäre eine solch willkürliche Verlängerung der Jagdzeit auf den Dachs insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Bürger keinerlei rechtliche Möglichkeiten hat, gegen eine solche Entscheidung des hessischen Parlaments vorzugehen. Der Hessische Landtag hat zuletzt 2009 ein Tierschutz-Verbandsklagerecht abgelehnt.
 
4. Tollwutgefahr - CDU Hessen: "Auch zur Eindämmung der Tollwut-Gefahr muss die Dachspopulation auf ein natürliches und mit der Natur verträgliches Maß reguliert werden."
 
Die Behauptung Dachse müssten zum Eindämmung der Tollwut-Gefahr bejagt werden ist wissenschaftlich überhaupt nicht haltbar. Sicherlich können Dachse die Tollwut übertragen, doch ist hierfür Voraussetzung, dass sie an der Tollwut erkrankt sind. Wie mittlerweile gemeinhin bekannt sein dürfte, ist die terrestrische Tollwut seit Jahren auf bundesdeutschem Gebiet erloschen. Da der letzte Fall der sylvatischen Tollwut im Frühjahr 2006 in Rheinhessen dokumentiert wurde, hat die Weltgesundheitsorganisation WHO der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2008 den Status als kontrolliert frei von terrestrischer Tollwut verliehen. Die nächsten Fälle von sylvatischer Tollwut sind erst weit in Osteuropa zu finden, so dass eine Rückwanderung in den bundesdeutschen Wildtierzyklus in absehbarer Zeit als ausgeschlossen gilt. Möglich wurde diese Tollwutfreiheit allerdings nicht durch die Aktivitäten der Jäger, sondern durch die großflächige Auslage von Impfködern per Flugzeug.

Wie unabhängige Studien des Friedrich-Löffler-Instituts für Viruskrankheiten der Tiere und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung ergeben haben, ist es durch jagdliche Mittel nicht möglich, die sylvatische Tollwut zu beeinflussen.

5. Fallenjagd - Ausschlaggebend ist, dass die Fallenjagd in Hessen erlaubt ist und diese auch auf den Dachs angewendet wird. Totschlagfallen sollen das Tier, welches den Köder annimmt, durch den Schlag eines Metallbügels auf Hals oder Brustkorb töten. Wenn ein Tier die Falle jedoch mit der Pfote auslöst, führt dies zu Quetschungen und blutigen Verletzungen bis hin zur Verstümmelung. Da Totschlagfallen ferner nicht selektiv fangen, kann selbst bei sachgerecht aufgestellten Fallen nicht ausgeschlossen werden, dass statt eines Fuchses oder eines Dachses eine Hauskatze in der Falle stirbt. 
 
Nilgans und teilweise Aufhebung des Nachtjagdverbotes waren nicht Bestandteil des Protestes an die Hessische Landwirtschaftsministerin Lucia Puttrich, sollen aber an dieser Stelle kurz in Frage gestellt werden:
 
Nilgans
Es gibt keinen Grund, die Nilgans in das Jagdrecht aufzunehmen. Die Nilgans ist gemäß §10, Abs.2 BnatSchG, eine heimische Tierart. Weder gibt es eine "Überpopulation" von Nilgänsen noch wissenschaftliche Nachweise darüber, dass sie andere Arten verdrängt oder einen signifikanten Schaden in der Landwirtschaft verursacht.
 
Aufhebung des Nachtjagdverbotes für Rotwild
Unter bestimmten Voraussetzungen soll das Nachtjagdverbot für Rotwild aufgehoben werde. Schon bei Tageslicht wird ein Großteil des Wildes während der Jagd lediglich angeschossen. Sogenannten Äser- (der Kiefer wird zerschossen) oder Gebrechschüsse (Maul) sind für das Wild das schlimmste. Sie leben damit häufig noch tage- und wochenlang, bis sie verhungert sind. Auch Keulenschüsse, Verletzungen der Wirbelsäule oder der Bauchdecke stehen auf der jagdlichen Tagesordnung. Dadurch, dass das Nachtjagdverbot nach und nach verwässert wird, ist nicht nur größeres Tierleid durch häufigere Fehlschüsse vorprogrammiert sondern auch dadurch, dass das Wild nicht einmal mehr in der Nacht Ruhe vor Nachstellung findet.

Mit freundlichen Grüßen
Lovis Kauertz, Am Goldberg 5, 55435 Gau-Algesheim, T. 0177-7230086, lovis.kauertz@gmail.com
www.JagdFrei.de  (Jagdfrei - Wildtierschutz, ehemals JagdAberFair.de)

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